Vier Schritte bei akutem Ärger
"Willst Du Recht haben oder glücklich sein? Beides geht nicht", sagt Marshall B. Rosenberg. Was für ein wunderbarer Satz, der es auf den Punkt bringt, wenn ich mich mal wieder über etwas oder jemanden ärgere. Manchmal reichen ja ein Wort oder eine Geste aus, um in uns eine große Wut zu entfachen. Die ist dann plötzlich da - mit voller Wucht. Und dann? Eigentlich ganz einfach. Ich kann meinem Furor freie Fahrt lassen. Nur leider richte ich damit in der Regel etliche Kollateralschäden an, die mir dann hinterher leid tun. Also nicht unbedingt die erste Wahl. Was kann ich also stattdessen tun? Eine Möglichkeit ist es, mir anzusehen, warum ich eigentlich wütend werde. Das bringt erstaunliche Erkenntnisse zutage.
Vier einfache Wahrheiten, für den Umgang mit Wut und Ärger.
1. Kein anderer kann Dir Gefühle machen. Es sind Deine.
2. Es ist ok, dass Du wütend oder traurig bist.
3. Du kannst nur dein eigenes Verhalten ändern.
4. Tief atmen & Lächeln.
Ja, das klingt jetzt erstmal alles wieder ganz einfach. Ist es aber nicht, weil wir es anders lernen. Wir lernen schon als Kinder, dass wir uns durchsetzen müssen. Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen und vor allem sind wir es, die wissen, wie man sich ordentlich benimmt. Tja, stimmt bloß alles nicht. Ich musste auch erst ganz schön alt werden um zu verstehen, dass nicht mein Gegenüber, sondern ich die Lösung in der Hand habe.
Kein anderer kann Dir Gefühle machen. Es sind Deine.
Meine Gefühle sind eben meine und nicht die des anderen. So ein Satz: "Du machst mich sehr wütend" bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass ich die Verantwortung für meine Gefühle abgebe. Und damit auch die Macht über mich. Das wiederum ist ja eigentlich das Letzte, was man als Mensch so wollen kann, oder?
Also nehme ich die Verantwortung für meine Gefühle wieder zu mir zurück. Jemand tut oder sagt etwas. Und ich reagiere darauf. In diesem Beispiel halt mit Wut. Nun ist ja die Frage, warum macht mich das wütend? Da ist die These, dass jedes negative Gefühl in mir ein Anzeiger für ein nicht erfülltes Bedürfnis ist, ganz hilfreich. Die Frage ist also nicht mehr, warum mich das wütend macht, sondern welches meiner Bedürfnisse im Mangel ist? Wenn ich das weiß, kann ich gezielt für meine Bedürfnisse eintreten und meinem Gegenüber mitteilen, was ich jetzt gerade brauche, um nicht mit Wut zu reagieren. Schön passt dazu auch ein weiteres Rosenberg-Zitat: "Menschen handeln nicht gegen andere, sondern für ihre Bedürfnisse".
Es ist ok, dass Du wütend oder traurig bist.
Wir lernen als Kinder ja so einiges. Leider auch vieles, was uns für den Rest des Lebens einschränkend begleitet. Zum Beispiel Scham und Selbstverurteilung, wenn wir wieder nicht so funktioniert haben, wie es die Erziehungsberechtigten gern gesehen hätten. Als Erwachsene machen wir dann unsere eigene Regeln - nur leider bleibt dieses Programm ins uns aktiv. Nicht selten kommt daher auch bei Erwachsenen das Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Entsprechend urteilen wir über uns selbst, wenn wir dann mal so richtig wütend werden. Denn Wut wird bei Kindern in der Regel nicht akzeptiert. Ich halte das für falsch. Natürlich müssen auch Kinder lernen, mit ihrer Wut umzugehen und können sie nicht einfach radikal ausleben. Da gilt es schon mit Kindern Strategien zu erarbeiten.
Aber nun bin ich ja erwachsen und kann lernen, mit meinem alten Programm umzugehen. Ein erster Schritt ist Selbstempathie. Ich gestatte mir meine Gefühle. Klar darf ich mal so richtig wütend werden. Das Gefühl ist ja nicht das Problem, sondern was ich daraus mache kann schwierig werden. Also ja, ich bin total sauer.
Du kannst nur dein eigenes Verhalten ändern.
Jetzt bin ich schon mal mehrere Schritte weiter. Mir ist klar, dass es meine Gefühle sind und nicht mein Gegenüber mir diese Gefühle macht. Wahrscheinlich hat er oder sie nicht mal eine Ahnung davon, was das Gesagte in mir ausgelöst hat. Und ich weiß auch, dass meine Gefühle völlig in Ordnung sind. So weit, so gut. Und wie löse ich jetzt die Situation auf?
In dem ich mir eine simple Wahrheit noch einmal vor Augen führe. Wie oft hatte ich in meinem Leben damit Erfolg, andere Menschen dazu zu bewegen, ihr Verhalten grundlegend zu verändern? Selbst intensives Nachdenken fördert bei mir keinen einzigen Fall zutage, wo das funktioniert hätte. Mit Druck kann ich Menschen zwar in meiner Gegenwart dazu bringen, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Doch spätestens wenn der Druck weg ist, machen sie das wieder so, wie sie es für richtig halten. So wie Kinder, die artig ihr Geschirr wegräumen, wenn ich dabei bin. Sobald ich das nicht bin, liegt alles kreuz und quer in der Gegend herum. Kann ich mich drüber ärgern - ändert bloß nichts.
Folglich kann ich nur an meinem Verhalten etwas verändern.
Das ist in etwa so wie bei einem Mobilé. Wir Menschen sind alle miteinander verbunden - so wie die Teile eines Mobilés. Setze ich ein Teil in Bewegung, verändern auch die anderen Teile ihre Position. Verändere ich also mein Verhalten, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die mit mir verbunden Menschen etwas anders machen, relativ hoch. Nur Mut - einfach mal ausprobieren. Dazu passend auch der Satz, der Albert Einstein zugeschrieben wird: Die Definition von Wahnsinn ist es, immer wieder das Gleiche zu tun, in der Hoffnung, es würde sich etwas ändern.
Tief atmen & Lächeln.
Die Medizin weiß, dass durch Ärger und Wut in unserem Körper große Mengen Adrenalin ausgeschüttet werden und noch einige weitere Reaktionen stattfinden. Unter dem Strich geraten Körper und Geist in Stress. Akut hilft es tatsächlich, die eigene Atmung zu kontrollieren. Unter Stress atmen wir nicht mehr tief ein, sondern schnell und oberflächlich. Ist ja auch klar, Stress bedeutet Fluchtmodus. Tiefes Luftholen mindert den Stress.
Unsere Empfindungen können wir durch unsere Körperhaltung beeinflussen. Unter Stress neigen viele Menschen dazu, die Schultern hochzuziehen, um sich gegen einen körperlichen Angriff zu wappnen oder schnell flüchten zu können. Das verstärkt die Alarmstimmung und das dazugehörige Gefühl. Sind wir uns selbst sicher, stehen oder sitzen wir aufrecht und gerade. So macht es also Sinn, bevor man eine Rede oder einen Vortrag halten muss, den eigenen Atem zu kontrollieren und sich im wahrsten Sinne des Wortes aufzurichten. Es hilft tatsächlich auch, sich selbst im Spiegel zuzulächeln. Probieren Sie es aus und beobachten dabei ihre Gefühlslage. Lächeln hilft.
PS: Und das mit der Selbstempathie ist übrigens auch dann sehr wichtig, wenn Du trotz Lektüre dieses Textes, bester Vorsätze und gleichmäßigen Atmen trotzdem mal aus der Haut fährst. Wir sind alle nur fehlbare Menschen und gleichermaßen liebenswert.